BUND-Landesverband Hamburg

Atomtransporte - Was tut die Politik?

Immer noch gibt es zahlreiche Atomtransporte durch Hamburg, mit denen Atommeiler in aller Welt mit Brennstoff versorgt werden – Atomausstieg? Wenn der rot-grüne Senat einen solchen wirklich will, dann muss er auch dazu beitragen, die Atomtransporte von und zu den deutschen Atomfabriken in Gronau und Lingen zu beenden.

Am 11. März 2021 jährt sich die mehrfache Atomkatastrophe von Fukushima bereits zum zehnten Mal und immer noch verläuft der Atomausstieg in Deutschland zu zögerlich. Zudem finden über Hamburger Gebiet immer noch zahlreiche Atomtransporte für den Betrieb der AKW in Deutschland sowie in europäischen Nachbarländern statt.

Ein Großteil dieser gefährlichen Transporte steht in Zusammenhang mit den Uranfabriken im niedersächsischen Lingen und im emsländischen Gronau. Diese Anlagen haben keine Betriebsbefristung und dürfen nach dem Willen der Bundesregierung weiterhin Uran-Brennstoffe für AKWs in aller Welt herstellen.

Anlässlich des Abwurfs von zwei US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August vor 75 Jahren appellierte der BUND deshalb an die Verantwortung Hamburgs, das internationale Atomgeschäft nicht weiter zu unterstützen. In einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden und umweltpolitischen Sprecher*innen der Bürgerschaftsparteien forderte der BUND-Arbeitskreis Energie diese auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Atomfabriken (Uranfabriken) in Lingen und Gronau mit in den Atomausstieg einbezogen und somit stillgelegt werden. Die vielen Atomtransporte von und hin zu den genannten Standorten würden dadurch beendet.

Würden auch die Atomfabriken stillgelegt, gäbe es, wenn im nächsten Jahr die letzten AKWs vom Netz gehen, einen realen Atomausstieg und nicht nur die Stilllegung der Kraftwerke. Bzgl. der Atomtransporte gibt es in Hamburg derzeit lediglich eine "Selbstbeschränkung" für den Umschlag und seeseitigen Transport von radioaktivenStoffen. Uranerzkonzentrate und nicht angereichertes Uranhexafluorid (UF-6) gehen weiterhin über den Hamburger Hafen.

Die Antworten der Politiker auf das Schreiben des BUND-Arbeitskreises waren ernüchternd. Auf die Frage, wie sie zu dem Anliegen stehen und welche Schritte sie in dieser Legislaturperiode unternehmen werden, sprach sich nur Stephan Jersch von der Partei DIE LINKE für eine Stilllegung von Gronau und Lingen aus. Transporte radioaktiver Güter sollten sich seiner Meinung nach auf medizinisch notwendige beschränken. Dominik Lorenzen (Fraktionsvorsitzender der Grünen) und Dennis Thering (Fraktionsvorsitzender der CDU) sehen keine gesetzliche Handhabe, den Transport radioaktiver Stoffe auf Hamburger Stadtgebiet zu untersagen. Die CDU und auch der umweltpolitische Sprecher der SPD, Alexander Mohring, erwarten zudem sogar noch mehr Transporte aufgrund der immer noch nicht geklärten Endlagerung des Atommülls.

Sowohl die Regierungsparteien als auch die CDU zeigen derzeit also kein Interesse, sich um dieses für die Sicherheit der Stadt wichtige Thema ernsthaft kümmern zu wollen. Auf die weiter bestehende Atomindustrie in Gronau und Lingen gingen sie in ihrem Schreiben gleich gar nicht ein.

Auch der BUND-Bundesverband fordert eine Produktionsbeendigung und ein Uranexportverbot. Dazu gibt es aktuell eine Klage des BUND-Landesverbands Nordrhein-Westfalen gegen die Brennelementefertigungsanlage der Firma Advanced Nuclear Fuels GmbH Lingen.

Unsere Forderung für Hamburg bleibt daher: Kein Transport von Kernbrennstoffen und anderen radioaktiven Stoffen für AKW durch das dichtbesiedelte Hamburg! Da die Verantwortung dafür auf Bundesebene liegt, erwarten wir vom Hamburger Senat, dass er eine Bundesrats-Initiative auf den Weg bringt mit dem Ziel, die Transporte auf Bundessraßen und über die Schiene zu verbieten.

 

Die Antworten der Politiker im Original

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SPD

SPD: Alexander Mohrenberg

Vielen Dank für Ihr Anschreiben an Dirk Kienscherf. Als Sprecher für Umwelt, Klima und Energie der SPD-Bürgerschaftsfraktion antworte ich Ihnen auch in seinem Namen. Das Thema Atommüll und damit einhergehend auch der Transport wird in den kommenden Jahren aufgrund der Atommüllendlagersuche wieder an Brisanz gewinnen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat sich zusammen mit ihrem grünen Koalitionspartner im Koalitionsvertrag dazu bekannt, die freiwillige Selbstbeschränkung des Hamburger Hafens in Bezug auf den Umschlag von Kernbrennelementen fortzusetzen. Nach derzeitiger Kenntnis erfolgen zur Zeit auch keine Kernbrennstoffumschläge im Hamburger Hafen. Generell erfolgen Kernbrennstofftransporte über Hamburger Stadtgebiet auch seit Jahren nicht mehr auf der Schiene.

Sie fordern, den Umschlag von weiterem Material, das zur Versorgung von Atomkraftwerken genutzt werden kann, in den Häfen auszuschließen. Dies würde jedoch den Transport nur auf andere Routen verlagern. Es darf auch nicht vergessen werden, dass es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung handelt. Die Umschlagbetriebe haben hier großes Entgegenkommen gezeigt. Es ist derzeit zudem nicht davon auszugehen, dass sie zu noch weitergehenden Einschränkungen freiwillig bereit wären.

Vor dem Hintergrund der Diskussion eines Endlagers werden wir zudem vermutlich wieder mit Atomtransporten konfrontiert werden. Sollte es auf Bundesebene ein Endlager irgendwo im Land geben, wird dies Transporte nötig machen. In diesem Kontext müssen wir ein Transportverbot auch in Bezug zu anderen Bundesländern intensiv diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Mohrenberg

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft,
Fachsprecher für Klima, Umwelt und Energie

info@alexandermohrenberg.de

GRÜNE

GRÜNE: Dominik Lorenzen

Danke für Euer Schreiben zum Transport von radioaktivem Material und Kernbrennstoffen durch Hamburg vom 4.11.2020. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion setzt sich seit vielen Jahren gegen Atomenergie und -waffen und auch den damit verbundenen Transport von radioaktivem Material ein. Zuletzt konnten wir im letzten Jahr vermelden, dass künftig im Hamburger Hafen keine Kernbrennstoffe mehr umgeschlagen werden. Dennoch gibt es noch viele Transporte und wir werden uns weiter für deren Reduktion einsetzen.

Wir haben uns, im Gegensatz etwa zu Bremen, dafür entschieden, dies in Verhandlungen mit den Hafenunternehmen zu erreichen, weil wir davon ausgehen, dass Hamburg als Bundesland nicht über die rechtliche Handhabe verfügt, solche Transporte zu verbieten. Verteidigung und Kriegswaffenkontrolle ist ebenso wie friedliche Kernenergienutzung eine alleinige Bundesaufgabe. Insofern liegt auch §2 (3) Bremer Hafengesetz mit dem Atomtransportverbot immer noch beim Bundesverfassungsgericht.

Unabhängig davon hat sich die Bürgerschaft am 12.02.2020 diesen Jahres außerdem auf unseren Druck hin dem ICAN Städteappell angeschlossen hat. Darin heißt es: "Unsere Stadt ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen 2017 verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen und fordern die Bundesregierung zum Beitritt auf.“

Wir werden uns weiter für eine Umsetzung des Atomwaffenverbots, den Atomausstieg und die Reduzierung von Nukleartransporten durch unser Bundesland einsetzen.

Ich setze unsere Abgeordnete Alske Freter, Sprecherin für Europa und Internationales cc, die sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt.
 
Beste Grüße
 
GRÜNE Bürgerschaftsfraktion Hamburg

Dominik Lorenzen
Fraktionsvorsitzender

dominik.lorenzen@gruene-fraktion-hamburg.de

 

CDU

CDU: Dennis Thering

Ich bedanke mich herzlich für Ihr Schreiben vom 10. August 2020, das wir als CDU Bürgerschaftsfraktion mit großem Interesse gelesen haben.

Als CDU halten wir an dem grundsätzlichen Ziel fest, im Jahr 2022 vollständig aus der Atomkraft auszusteigen. Auch gilt es, den Atomtransport über Hamburg auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dass sich bereits Großunternehmen im Hafen dazu verpflichtet haben, zukünftig auf den Umschlag von radioaktiven Stoffen zu verzichten, ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Wir sehen den Senat jedoch hier in der Verantwortung, dieses Bestreben weiter voranzutreiben - sowohl was die Ausweitung auf weitere Unternehmen angeht, als auch die Definition der entsprechenden Stoffe.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch nach der Beendigung der Kernenergienutzung in Deutschland, durch die Stilllegung sowie den Rückbau der Anlagen und auch aufgrund von völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Rücknahme von Wiederaufarbeitungsabfällen aus dem Ausland, weiterhin Transporte radioaktiver Stoffe erforderlich sein werden. Die Transporte von radioaktiven Stoffen, die aktuell über Hamburg durchgeführt werden, liegen dem geltenden Recht zugrunde. Eine entsprechende Transportgenehmigung ist demnach zu erteilen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 4 Atomgesetz bzw. § 16 Strahlenschutzverordnung (Bundesgesetzgebung) gegeben sind. Von Hamburger Seite besteht somit keine Möglichkeit, generell Transporte von radioaktiven Stoffen zu untersagen.

Auf Bundesebene hat das Thema Ende 2019 bzw. Anfang 2020 erneut Fahrt aufgenommen und wird u.a. auch in den internen Kreisen der CDU von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und intensiv diskutiert. Von Hamburger Seite möchten wir uns als CDU-Fraktion an den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen auf Bundesebene aktiv einbringen und somit für die folgenden Jahre, die bestmöglichste Lösung für Deutschland und insbesondere für Hamburg erzielen. Hierbei ist es wichtig, dass unter einem rechtsgültigen Rahmen, sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Interessen, in einen ausgewogenen Einklang gebracht werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir zeitnah neue und zielgerichtete Lösungen im Hinblick auf diese außerordentlich komplexe Thematik erarbeiten werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Thering
CDU·Bürgerschaftsfraktion

dennis.thering@cdu-hamburg.de

LINKE

DIE LINKE: Stephan Jersch

Ihr habt mich um eine zeitnahe Rückmeldung zu Fragen der Atomtransporte durch unsere Stadt gebeten und gefragt, welche Schritte und Forderungen als Oppositionsfraktion wir haben und auch an uns die Forderung gestellt, Hamburgs Politiker mögen sich auf Bundesebene einsetzen Gronau und Lingen stillzulegen. Des Weiteren mögen auch über Straßen und Schiene Kernbrennstoffe in Zukunft nicht mehr durch diese Stadt transportiert werden.

Auf euren Brief möchte ich euch wie folgt antworten:

Das Thema der ,Drehscheibe Hamburg' für die Atomwirtschaft ist auch für mich und die Fraktion ein dauerhafter Auftrag zum Handeln. Mit unseren regelmäßigen Abfragen zu Atomtransporten wollen wir einen Beitrag zur Transparenz über die Situation leisten. Mindestens 45 LKW-Kernbrennstofftransporte sind in diesem Jahr durch die Stadt gegangen - unbestrahlte Brennelemente und Uranhexafluorid (UF6). Das ergaben unsere bisher drei Kleinen Schriftlichen Anfragen an den Senat. Dazu kommen 35 Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe via Hafen.

Der freiwillige Teilverzicht der Logistikunternehmen auf den Umschlag zumindest von Kernbrennstoffen über den Hamburger Hafen ist zwar ein Erfolg jahrelanger Arbeit, vor allem der Anti-Atombewegung und ein wichtiger Schritt für eine nachhaltigere Politik im Hafen, aber von der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag 2015 bis zum letzten Umschlag von Kernbrennstoffen hat es vier lange Jahre gedauert. Nach unseren Unterlagen hat der letzte Umschlag Sch iff /LKW am 20.9.2019 am Eurokai
und der letzte Schiffstransit am 22.09. stattgefunden.

Auch ein Erfolg, aber nicht für den Senat: Im zweiten Jahr nun sieht es danach aus, dass wir keine sicherheitsrelevanten Mängel bei Atomtransporten auf dem Gebiet Hamburgs mehr haben. Im Bereich der Ladungssicherung hat die Wasserschutzpolizei erfreulicherweise wohl in den letzten Jahren genauer hingeschaut.

Wenn Grüne und SPD es mit einem Atomausstieg ernst meinen, konsequent, auch die passive Unterstützung einer todbringenden Industrie beenden wollen, muss der Senat endlich eine Entwidmung des Hafens für alle Atomtransporte außer für medizinische Produkte beschließen. Den freiwilligen Teilverzicht auf Atomtransporte verbindlich zu machen fordern wir schon länger. Auf S. 50 des geltenden Koalitionsvertrages steht hingegen nur:" Die freiwillige Selbstbeschränkung des Hamburger Hafens in Bezug auf den Umschlag von Kernbrennelementen wird fortgesetzt."

Auch bezieht der Verzicht sich nicht auf die Atomtransporte generell über den Hafen. Es wäre also nur der erste Schritt, dass der Hafen für den Umschlag von Kernbrennstoffen entwidmet wird.

Wir haben die Entwidmung regelmäßig eingefordert und ich bin überzeugt, dass wir auf Basis der von uns erfragten Daten diesen Punkt auch wieder in einen Antrag packen werden. Wir wollen dabei aber, nach derzeitigem Diskussionsstand, den Transport radioaktiver medizinischer Güter zulassen.

Was zum reinen Straßentransport atomarer Fracht durch Hamburg, der nach meinem Eindruck an Bedeutung gewonnen hat, unternehmen können, haben wir noch nicht diskutiert. Ich denke aber, dass auch dies noch parlamentarisch angegangen werden muss.

Als Opposition ist natürlich, gerade auch angesichts einer 2/3 Regierungsmehrheit in der Bürgerschaft, der fortlaufende Druck der Initiativen und NGOs ein wichtiges Momentum. Aber hier bin ich sehr zuversichtlich, dass wir weiterhin eine gute Zusammenarbeit pflegen werden. In diesem Rahmen sind wir natürlich auch sehr daran interessiert, neue Ideen parlamentarisch zu begleiten, damit wir die bundesdeutschen Atomfabriken zum Erliegen bringen und damit einen wichtigen Beitrag leisten können, um den Atomausstieg europaweit zu befördern und Umwelt- und Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern des Urans durch ein Ende der Absatzmöglichkeiten verbessern.

Bei all dem sind wir in der Zielsetzung eines vollständigen Shutdowns der deutschen Nuklearindustrie mit der Bundestagsfraktion völlig deckungsgleich.

Stephan Jersch

Umweltpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft

stephan.jersch@linksfraktion-hamburg.de

 

FDP

Die Abgeordnete Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) antwortete auf das Schreiben des BUND leider nicht.

 

Fazit

Wir müssen uns weiter für einen echten Atomausstieg stark machen. Im Bündnis mit den anderen Anti-Atomtransport-Initiativen wollen wir unseren Protest sichtbar machen und die Menschen in unserer Stadt über die gefährlichen Transporte durch den Hamburger Hafen, über die Straßen und mit der Bahn informieren.

Wer sich mit uns engagieren will, ist herzlich willkommen.

Der AK Energie des BUND trifft sich an jedem 3. Montag im Monat, derzeit leider per Videokonferenz.

 

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